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Präsentieren sich Orchideen von ihrer schönsten Seite, richtet sich der Blick auf die nächste Herausforderung. Die erfolgreiche Vermehrung der anspruchsvollen Schönheiten aus den tropischen Regenwäldern gilt unter Hobbygärtnern als Ritterschlag. Die generative Nachzucht mittels Aussaat der Samen lässt uns freilich über das Ergebnis im Dunkeln, bis sich die ersten Blüten entfalten. Damit die Nachkömmlinge über die prachtvollen Attribute ihrer Mutterpflanze verfügen, rücken folglich vegetative Methoden in den Fokus. Diese Anleitung erläutert praxisnah, wie die Vermehrung von Orchideen durch Ableger, Kindel und Bulben gelingt.
Ableger
Einsprossige Orchideen-Arten, wie die prachtvolle Vanda und andere Schönheiten mit traubenförmigen Blütenständen, eröffnen uns die Möglichkeit der Vermehrung mithilfe von Ablegern in Form von Stecklingen. Im oberen Drittel der Sprosse gedeihen kleine Luftwurzeln entweder aus dem Stamm oder aus den Blattachseln. Diese werden über einige Wochen einer gezielten Pflege unterworfen, um dieses bewurzelte Stammsegment im weiteren Verlauf als Steckling zu verwenden. So gehen Sie dabei vor:
- Den Stammbereich zur Förderung von Luftwurzeln mit Sphagnum umhüllen
- Mit weichem Wasser das Torfmoos wiederholt leicht anfeuchten
- Bei zufriedenstellender Bewurzelung das Stammstück mit Luftwurzeln abschneiden
- Zur Verbesserung der Geschmeidigkeit den Ableger für 1-2 Stunden in Wasser stellen
Füllen Sie einen Topf mit Orchideensubstrat, um die eingeweichten Luftwurzeln sowie 5-7 cm des Stecklings einzusetzen. Droht der Ableger umzukippen, wird er an einen Stützstab angebunden. In den folgenden 4-6 Wochen gießen Sie nur soviel, dass die Erde nicht austrocknet. Dünger erhält der Steckling zu dieser Zeit nicht, damit er sich um eine kräftige Verwurzelung bemüht. Spätestens 2 Monate nach der Vermehrung kann die Orchideen in den normalen Pflegeplan für adulte Blumen überführt werden. Die gestutzte Mutterpflanze verzweigt derweil, um als kompakte Orchidee zu wachsen.
Kindel
Eine Vielzahl populärer Orchideen-Arten beschenkt uns mit vollständig ausgebildeten Tochterpflanzen, Kindel genannt. Sehr eifrig ist in dieser Hinsicht die allseits beliebte Phalaenopsis. In eine ähnliche Richtung zielen Epidendrum, Calanthe oder Dendrobium. Entsprießt ein Kindel dem Vegetationspunkt entlang des Blütenstiels, bilden sich an dieser Stelle keine Blüten, sondern Blätter. Aus der Achsel des Orchideen-Stammes können ebenfalls Tochterpflanzen gedeihen. So nutzen Sie Stiel- und Stammkindel für die Vermehrung:
- Kindel erst abschneiden mit mindestens 2 Laubblättern und 3 Luftwurzeln
- Scharfes, desinfiziertes Messer ca. 1 cm unterhalb des Kindels ansetzen
- Die Tochterpflanze einsetzen in einen transparenten Topf mit sehr feinem Orchideensubstrat
- Im Verlauf der Bewurzelung wenig gießen und keinen Dünger verabreichen
Eine hohe Luftfeuchtigkeit wirkt sich förderlich aus auf das weitere Wachstum Ihrer Zöglinge. Stellen Sie den Topf beispielsweise in ein kleines Aquarium, dessen Boden mit Blähton und Wasser gefüllt ist. Die aufsteigende Verdunstung umstreicht die junge Pflanze und erzeugt ein Mikroklima, das an die natürlichen Bedingungen des Regenwaldes heranreicht. Alternativ stellen Sie den Anzuchttopf in einem mit Blähton und Wasser gefüllten Untersetzer.
Bulben
Orchideen-Arten mit sich verzweigenden Rhizomen ermöglichen eine der unkompliziertesten Methoden der Vermehrung. Entlang der fleischigen Rhizome gedeihen mehrere, im unteren Teil verdickte Triebe. Verfügt eine Orchidee über 6, 7 oder gar 8 dieser Bulben, können diese aufgeteilt werden. Geeignete Kandidaten sind die filigranen Brassia, die bezaubernden Cattleya oder die furiosen Dendrobium. Eine ausgezeichnete Gelegenheit für die Teilung der Bulben bietet sich im Rahmen des Umtopfens, da sich die Pflanze dabei ohnehin unter Stress befindet. So machen Sie es fachgerecht:
- Zur Vorbereitung die Mutterpflanze 2 Tage zuvor durchdringend gießen und ein wenig düngen
- Die Orchidee vorsichtig aus dem Topf lösen, dabei eventuell die Kunststoffwände mit den Händen kneten
- Das ausgediente Substrat abschütteln oder abbrausen
Halten Sie das gereinigte Wurzelgeflecht in Händen, werden die Stränge mit reichlich Fingerspitzengefühl auseinander gezogen. Ziel ist, dass die geplanten Teilungsstellen freiliegen. Ein vitales Segment sollte über mindestens 2-3 Bulben mit Blättern verfügen, damit es sich in eine adulte Orchidee verwandeln kann. Ist eine Trennung mit den Händen nicht möglich, nehmen Sie bitte ein scharfes, desinfiziertes Messer zu Hilfe. Eine Gartenschere ist für diesen Zweck ungeeignet, da durch Quetschungen erhebliche Verletzungen verursacht werden könnten. Am Ende werden die Schnittwunden mit Holzkohlepulver bestäubt.
Die Bulben-Segmente pflanzen Sie ein in transparente Orchideen-Töpfe mit frischem Substrat. Es ist von Vorteil, das Rhizom am Topfrand zu positionieren. Von hier aus richtet sich das Wachstum spiralförmig zur Topfmitte aus. Überdies erleichtert diese Maßnahme das Einfüllen der Orchideenerde. Füllen Sie das Substrat schrittweise ein und stoßen das Gefäß zwischendurch auf die Tischplatte auf. Für die nächsten 8 Tage werden die Nachkömmlinge nicht gewässert, damit sie sich von der Strapaze erholen können und die Wunden ausheilen. Etwa 1 Monat später setzt das normale Pflegeprotokoll ein, indem die erste Portion Dünger verabreicht wird.
Pflege-Tipps nach der Vermehrung
Sie spannen uns gehörig auf die Folter. Ehe eine vegetativ vermehrte Orchidee zum ersten Mal erblüht, ziehen Wochen, Monate oder Jahre ins Land. Lassen Sie sich von dieser Wartezeit nicht irritieren, sondern setzen das Pflegeprogramm unbeirrt fort. Der folgende Kurz-Überblick vermittelt alle wichtigen Aspekte:
Standort
- Orchideen bevorzugen einen hellen Standort, geschützt vor praller Mittagssonne
- Idealerweise bewegt sich das Thermometer am Tag zwischen 19 und 25 Grad Celsius
- Des Nachts fällt die Quecksilbersäule nicht unter 15 Grad Celsius
Mit Wasser gefüllte Schalen, Zimmerbrunnen oder Luftbefeuchter erzeugen die gewünschte Luftfeuchtigkeit von mehr als 60 Prozent.
Gießen
- Ausschließlich gießen mit weichem Wasser bei Zimmertemperatur
- Alternativ mit einem Tauchbad verwöhnen bei gut angetrocknetem Substrat
- Alle paar Tage einsprühen mit einem Nebel aus kalkfreiem Wasser
Eine wechselfeuchte Erde ist für Orchideen das Maß aller Dinge, wenn es um den perfekten Wasserhaushalt geht. Vermeiden Sie bitte sowohl Staunässe als auch vollkommen ausgetrocknetes Substrat.
Düngen
- Im Verlauf der Vegetationsperiode alle 4-6 Wochen flüssig düngen
- Idealerweise ein Spezialpräparat für Orchideen verwenden
- Wahlweise Dünge-Stäbchen mit Langzeitwirkung ins Substrat geben
Vollkommen unbrauchbar ist handelsüblicher Blumendünger. Die darin befindlichen Salze fügen Ihren Orchideen an den Wurzeln erheblichen Schaden zu.
Häufig gestellte Fragen
Warum ist die Aussaat von Orchideen so schwierig?
Nahezu alle Orchideen-Arten produzieren in ihren Samenkapseln Millionen feiner Samen. Infolge dieser großen Anzahl ist keine Platzkapazität mehr vorhanden, um den einzelnen Samen mit dem erforderlichen Nährgewebe für die Keimung auszustatten. Bei klassischen Gartenstauden ist es genau dieses Nährgewebe, das deren generative Vermehrung so unkompliziert macht. Das Saatgut von Orchideen ist demgegenüber auf die Symbiose mit Pilzen angewiesen. Der professionelle Orchideen-Züchter führt hierzu in steriler Umgebung eine komplizierte Verbindung von Pilzfäden und Embryo herbei, Mykorrhiza genannt.
Was kann ich tun, wenn Kindel nicht bewurzeln wollen?
Verweigert ein Kindel die Bildung von Wurzeln, gefallen ihm die Rahmenbedingungen nicht. In der Regel hadert die Tochterpflanze mit zu geringer Luftfeuchtigkeit, während adulte Orchideen sich gegenüber normaler Raumluft deutlich toleranter erweisen. Wickeln Sie um den unteren Teil etwas Sphagnum und besprühen es täglich mit weichem Wasser. Noch intensiver wirkt eine kleine, mit angefeuchtetem Substrat gefüllte Plastiktüte. Diese wird mithilfe eines Gummibandes unten am Keiki fixiert. In dieses feucht-warme Mikroklima sende die kleine Orchidee gerne ihre Luftwurzeln aus.