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Im Gegensatz zu den meisten Kohlgemüsen ist Grünkohl pflegeleicht und robust, wächst in jeder ansatzweise fruchtbaren Gartenerde und kommt auch noch mit wenig Nährstoffen aus. Sogar als Winterkohl, kaum verständlich, warum unsere Gärten nicht voll Grünkohl stehen – aber sicher nicht mehr lange, in den USA hat das fast vergessene Eintopfgemüse gerade sein ganz großes Comeback. Mit neuen Anbau- und Erntezeiten, neuen Rezepten, neuen Geschmäckern; lernen auch Sie ein altes Kohlgemüse neu kennen.
Steckbrief
- Grünkohl bzw. Krauskohl Braunkohl Hochkohl, Winterkohl, Strunkkohl, Palmkohl
- Botanisch heißt er “Brassica oleracea var. sabellica”
- Gattung Kohl (Brassica), Art Gemüsekohl (B. oleracea), Zuchtform Grünkohl (B. o. var. sabellica)
- Grünkohl ist eine Ausnahmeerscheinung in der Gemüsekohl-Familie
- Eine positive: Er ist robuster, anspruchsloser und pflegeleichter als seine “Kollegen”
- Grünkohl kann als Frühlingskohl, Sommerkohl, Herbstkohl und Winterkohl gezogen werden
- Er braucht bis zur Ernte einfach nur fünf Monate Wachstum in der Erde
- Einzelne Blätter können jedoch schon viel früher geerntet werden
Grünkohl vorziehen
Rund ein halbes Jahr vor Erntezeit sollten Sie starten, um die Jungpflanzen zeitlich passend ins Beet setzen zu können.
Frühlings-Grünkohl wird meist im Freiland vorgezogen. Wenn Sie – wieder je nach Region – ab Mitte April bis Mitte Mai mit der Vorzucht beginnen, können die Jungpflanzen zwischen Mitte Mai und Mitte Juni ins Beet, die letzten werden also nach ein paar Tagen schon zum “Sommerkohl”.
Sie können den Grünkohl aber auch später anziehen, z. B. wenn eine Vorkultur im Juni/Juli erntereif ist und den Platz frei macht. Das ist dann echter Sommerkohl, der im Sommer wächst und größtenteils im Sommer geerntet wird.
Wenn Sie in Ihrem eigenen Garten eine möglichst bunte Auswahl an gesunden, pestizidfreien Gemüsen ziehen möchten, brauchen Sie die Beete im Frühjahr und Sommer für wärmeliebende Gemüsearten. Dann können Sie Grünkohl so anbauen, wie er traditionell schon immer angebaut wurde: Als Winterkohl, Aussaat im August, die Jungpflanzen überwintern mit etwas Winterschutz und laufen im Frühjahr zu großer Form bzw. erntebereiten Pflanzen auf. Sie können die Jungpflanzen im Herbst platzsparend eng aneinander anziehen und sie erst im Frühjahr an den Standort setzen, wo sie sich bis zur Erntereife entwickeln sollen. Heute sind wieder alte Sorten ostfriesischer “Güstkohle” erhältlich, die erst im zweiten Sommer nach der Herbstaussaat absterben.
Standort, Boden, Fruchtfolge, Nachbarn
Grünkohl liebt einen sonnigen Standort und braucht mindestens lichten Halbschatten mit etwas Sonne. In den unwirtlichsten (rauesten) Lagen unseres Landes kann es eng werden mit fünf Monaten Wachstum in warmer Gartenerde, hier sollten Sie darauf achten, ursprüngliche, robuste Sorten anzupflanzen (wachsen etwas niedriger als die “himmelstürmenden” Hochleistungs-Zuchtsorten, halten aber auch einmal einen kräftigen Kälteschock aus).
Grünkohl gedeiht am besten auf lehmigen und nährstoffreichen Böden, wird aber auch auf vielen anderen Böden gute Ernte bringen.
Klassisch sieht die Fruchtfolge so aus: Frühe Gemüse, die nicht zu den Kreuzblütler gehören (traditionell Frühkartoffeln), dann Winterkohl (2 Jahre, über den Herbst/Winter), dann eine Saison ohne Kreuzblütler und erst im 4. Jahr wieder Kohlgemüse. “Verboten” wären damit im Jahr vor dem Grünkohl Vorkulturen von Blumenkohl, Brokkoli, Chinakohl, Kohlrabi, Radieschen, Rettich, Rosenkohl, Rotkohl, Weißkohl, Steckrüben und Weißen Rüben.
Anbauanleitung
Rund 5 Monate vor der geplanten Ernte werden die (vorgezogenen oder gekauften) Jungpflanzen in den Garten gepflanzt. Es kann losgehen, sobald der Boden um 15 °C warm ist, auch nachts.
Je nach Größe in einem Abstand zwischen 40 x 40 und 60 x 60 cm, eher großzügiger als zu eng, als Vorbeugung vor Schädlingsbefall. Grünkohl wird so tief gepflanzt, dass die ganze Wurzel und ein kleiner Teil des Stängels in der Erde sitzen. Dann wird er am Stängel zusätzliche Wurzeln bilden und eine gute Standfestigkeit ausbilden, außerdem machen Sie es den Kohlfliegen so ein wenig schwerer, an den Wurzeln herumzufressen.
Beim Einpflanzen können Sie ein wenig Kompost zugeben, wenn Sie die Jungpflanzen dann noch gut angießen, haben Sie das Wesentlich erledigt, um herrlichen Grünkohl ernten zu können.
Pflege
Grünkohl ist eine angenehme Ausnahmeerscheinung (mit dem Kohlrabi zusammen, um diesem nicht Unrecht zu tun): Während Kohlgemüse im Allgemeinen ziemliche Ansprüche an Boden, Anbau, Nährstoffe und Pflege stellen, ist der Winterkohl ausgesprochen genügsam, aber genauso wuchsfreudig wie seine anspruchsvollen Kollegen.
Außerdem ist er robust und gesund, bringt reiche Erträge noch zu einer Zeit im Jahr, zu der die meisten Gemüse aus dem Lagerhaus kommen, kann bei versetztem Anbau fast ganzjährig geerntet werden, Ausfälle kommen eigentlich nicht vor – mit einem Selbstversorgergarten voller Grünkohl müssten Sie nie hungern, es würde nur ein wenig langweilig werden.
So variabel der Grünkohl in Bezug auf die Pflanzzeit ist, so pflegeleicht benimmt er sich im Beet:
- Wenig bis keine Ansprüche an den Nährstoffgehalt des Bodens
- Wenn mit Kompost gepflanzt wurde, braucht Grünkohl keinen Dünger mehr
- Grünkohl soll sogar in vollkommen ungedüngten Böden wachsen
- “Nackte” Grünkohl-Beete mit freiliegender Erde sollten zweimal gehackt werden, während der Grünkohl heranwächst
- Grünkohl in üppig bepflanzter Mischkultur braucht auch das nicht
- Wurzeln von Frühjahrs- und Sommerkohl werden nach der Ernte ausgegraben
- Auch das beugt ungünstigen Anreicherungen im Boden vor
- Die Wurzelstücke können gehackt und im gemischten Kompost kompostiert werden
- Herbstkohl kann als Jungpflanze im Beet überwintern, Frost schadet ihm nicht
- Ab Anfang/Mitte November werden die Pflanzen mit Tannenzweigen abgedeckt
- Im folgenden Frühjahr geht die Ernte bei diesem Kohl noch ein wenig weiter
Grünkohl ernten
Etwa fünf Monate nachdem Sie die Jungpflanzen ins Beet gesetzt haben, ist üblicherweise die “große Ernte” fällig, aber: Heute werden viel mehr die jungen Blätter geerntet, völlig neue Grünkohl-Erlebnisse, wenn Sie außer “Grünkohl mit Pinkel” noch nicht viele Grünkohl-Gerichte probiert haben – sie schmecken um einiges besser als die “großen Lappen” fürs Schmorgericht.
Die Sache mit dem “Grünkohl erst ernten, wenn er Frost abbekommen hat”, wird meist unpräzise übermittelt bzw. erklärt, denn es ist nicht der Frost, der die Stärke im Grünkohl in Zucker umgewandelt, bis er süß wird.
Stärkeverzuckerung ist heute ein riesiger Industriezweig, der aus beliebiger Pflanzenstärke + Enzymen all die Glukossirupe, Fruktosesirupe, Isoglukosen, Maltosen, Glukosen, Dextrine, Maltole, Sorbite, Xylite und Polydextrosen herstellt, die Fertiggerichte auf den Nährwert von Süßigkeiten reduzieren. Diese Enzyme braucht es zur Stärkeverzuckerung, groß wurde dieser Industriezweig erst, als sie mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen zu erträglichen Preisen hergestellt werden konnten. Wäre diese Umwandlung nur mit Frost zu bewerkstelligen, hätten findige Unternehmer schon vor 100 Jahren jeden Pflanzenrest vom Feld gesammelt und in die Tiefkühltruhe geschmissen, um mit gesüssten Fertiggerichten Maximal-Profit einzufahren.
Auch beim Grünkohl verwandeln (natürliche, grünkohleigene) Enzyme während der Reife Stärke in Zucker – ähnlich wie bei den Kirschen, die unreif auch noch nicht besonders süß sind. Enzyme brauchen keinen Frost, sondern Photosynthese und Zeit. Je mehr Zeit vergeht, desto reifer der Grünkohl, irgendwann ist die während des Wachstums gespeicherte Stärke komplett umgewandelt (= der Grünkohl ist reif). Wenn der Grünkohl nach der Reife weiter Photosynthese betreibt, bildet er weiter Glucose, ist bei kühlen Temperaturen (verlangsamter Stoffwechsel) aber nicht mehr fähig, diese in Speicherformen umzuwandeln – der Zuckergehalt der Kohlblätter steigt, wer süßen Grünkohl will, braucht keinen Frost, sondern nur genug Geduld.
So wird/wurde Grünkohl in Deutschland traditionell geerntet – als frostfestes “Reservegemüse”, spät und vollreif, wenn er seine Bitterstoffe bereits weitgehend abgebaut und maximal Zucker gebildet hat.
Als “optimale Erntereife” gilt aber nicht zwingend der Zeitpunkt, an dem eine Pflanze das Maximum an Zucker angereichert hat. Man kann Pflanzen auch in früheren Stadien ernten, wenn die Blätter noch zart sind, aber schon charakteristischen Geschmack haben. Genau das geschieht mit dem Grünkohl im Grünkohl-Mekka New York und zunehmend auch hierzulande: Er wird geerntet, bevor die Stärkeverzuckerung richtig eingesetzt hat, junger “Kale” mit leichter Bitternote roh im Salat, angedünstet auf Risottos, gebacken als “Kale Chips”.
Junger Grünkohl wird immer unten zuerst beerntet, was dem ganzen Gewächs im Laufe der Zeit ein lustiges, palmenähnliches Aussehen gibt (Palmkohl). Hier ein Foto der Extrem-Variante Brassica oleracea var. longata, einer (Grün-) Kohl-Sorte namens Jersey-Kohl oder Spazierstockkohl.
Arten und Sorten
Der Grünkohl wurde oben botanisch als Brassica oleracea var. sabellica vorgestellt. Er gehört zur Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae), Art Gemüsekohl (Brassica oleracea), Zucht-Variante Brassica oleracea var. sabellica. Von dieser Zucht-Varietät Grünkohl gibt es dann auch noch viele verschiedene Zucht-Sorten:
- Altmärker Braunkohl
- Black Magic
- Dinosaurier-Grünkohl oder Kale Lacinato
- Dwarf Siberian Zwerg-Grünkohl
- Halbhoher grüner Krauser
- Holter Palme
- Kale Vates Blue Scotch Curled
- Lerchenzungen
- Lippische Palme
- Niedriger (grüner) Krauser
- Niedriger von Rosenweide
- Ostfriesische Palme
- Rot Russian
- Rote Palme
- Roter Krauskohl
- Russian Red
- Scarlet rot
- Thousand Heads
- Westländer Herbst
- Westländer Winter
allesamt anders, auch im Geschmack.
Beim Eigenanbau können Sie sowohl bei den modernen Standardsorten als auch bei wiederentdeckten alten Sorten geschmackliche Überraschungen erleben: Bei den Handelsorten, die in der industriellen Landwirtschaft angebaut werden, wurde der Bitteranteil genetisch weitmöglichst ausgemerzt; zugunsten eines höheren Zuckeranteils, damit der Grünkohl lange vor Maximalreife geerntet werden kann. Im Hausgarten können Sie diese Handelssorten richtig gut ausreifen lassen, vielleicht zeigen sich interessante Geschmacksnuancen, wenn ein solcher Grünkohl reif geerntet wird (vielleicht ernten Sie aber auch eine Art Grünkohl-Stevia).
Aber zum vollen Geschmack gehören beim Grünkohl auch bittere Töne, die in den alten Sorten meist häufig noch mehr enthalten sind. Diese natürlichen Bitterstoffe im Grünkohl finden viele Feinschmecker im Gegensatz zu den süßen Riesensorten mit verkürztem Genpool geschmacklich höchst interessant.
Häufig gestellte Fragen
Welche Krankheiten können beim Grünkohl auftreten?
Grünkohl kann als Kohlgewächs theoretisch von allen Kohl-Krankheiten und Kohl-Schädlingen befallen werden, als da wären: Großer Kohlweißling, Kleiner Kohlweißling, Kohleule, Kohlhernie, Kohlmotte, Mehlige Kohlblattlaus und Weiße Fliege. Praktisch werden Sie sich beim robusten Grünkohl höchstens mit “Weißen Fliegen” (Kohlmottenschildläuse Aleyrodes proletella) oder Kohlhernien auseinanderzusetzen haben. Beziehungsweise nicht auseinanderzusetzen, bei Kohlhernie hilft sowieso nur: Kohl raus und in diesem Boden ein paar Jahre keine Kreuzblütler ziehen; den Mottenschildläusen können Sie entspannt “Guten Appetit” wünschen und sie gelegentlich mit dem Gartenschlauch vom Grünkohl brausen, sie werden dem Grünkohl kaum schaden.
Wann heißt der Grünkohl Grünkohl und wann Braunkohl?
Grünkohl bleibt beim Kochen grün (was Sie mit ein wenig Soda im Kochwasser fördern können), Braunkohl wird beim Kochen braun. Zur Begründung gibt es viele schöne Geschichten, am plausibelsten erscheint der Vorschlag, dass der Braunkohl der Grünkohl mit den ins rötlich-bräunliche gehenden Blättern ist.