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Das Anlegen einer Streuobstwiese wird in Deutschland gefördert. Es geht darum, wertvolle Lebensräume für unzählige Insekten, Vögel, Kleintierarten und Wiesenkräuter zu kultivieren und erhalten. Auch alte Obstsorten, die wegen Unrentabilität vielleicht schon lange ausgestorben wären, bekommen auf Streuobstwiesen eine Chance für ihren Fortbestand. Auf einer Streuobstwiese wachsen verschiedene, hochstämmige, alte und junge Obstbäume unterschiedlicher Art in großzügigen Abständen, sodass sich eindrucksvolle, charakteristische Baumkronen ausbilden können. Solch ein natürlicher Obstgarten bedarf sorgfältiger Pflege und ist keineswegs ein Biotop, welches man allein der Natur überlassen kann.
Steckbrief Streuobstwiese
- Definition Streuobstwiese: Obstanbau mit hochstämmigen Obstbäumen, verschiedenen (oft alten) Obstsorten, verschiedener Altersstufen, mit Mehrfachnutzung (Wiese und Obst)
- Andere Bezeichnungen: Obstwiese, Obstgarten, Streuobstbau, Bungert, Bongert, Bitz
- Pomologie: die Lehre des Obstanbaus
- Verbreitung: Süddeutschland (bes. schwäbische Alb), Österreich, Schweiz
- Obstbäume: verschiedene Sorten von Apfel-, Birnen-, Kirsch-, Pflaumenbäumen und Walnussbäumen
- Obernutzung: Tafelobst, Obst für Most und Brände, Holz
- Unternutzung: Vieweide, Mähnutzung
- Fauna einer Streuobstwiese: 2.000-5.000 verschiedene Tierarten
- 2008 Festlegung einer offiziellen Definition von Streuobstwiese durch das das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Planung und Förderung
Wer eine Streuobstwiese anlegen möchte, sollte sein Vorhaben im Vorwege gründlich planen. Von der Grundstücksbeschaffung bis hin zur ersten Obsternte gibt es viele Arbeitsschritte, über die man sich zuvor gut informieren muss. Ist ein Grundstück vorhanden oder ausgewählt, kann man, unter gewissen Auf- und Vorlagen im jeweiligen Landkreis Fördermittel beantragen. In jedem Bundesland gibt es jedoch unterschiedliche Anforderungen und Auflagen, sodass hier keine allgemeingültigen Parameter aufgeführt werden können. Informationen über die jeweiligen Bedingungen des eigenen Landkreises lassen sich problemlos aus den entsprechenden Internetauftritten zum Thema herausziehen. Nachfolgend einige Parameter am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalens:
- Förderungswürdig: Neuanlage und Instandsetzung bestehender Obstwiesen
- Die regelmäßige Pflege, Erhaltung und Verjüngung bestehender Obstgärten über 5 Jahre kann vom Landkreis oder der Stadtkreisverwaltung honoriert werden
- Flächenmindestgröße: 0,15 ha
- Mindestbaumbestand: 10 Bäume
- Pflicht: Erziehungs-, Erhaltungs- und Verjüngungschnitt
- Verzicht auf die Anwendung chemischer, synthetischer Behandlungsmittel
- Pflanzung von geeigneten Obstbaumsorten, Gütebestimmungen
Förderung und Unterstützung kann man, außer vom Stadt- oder Landkreis auch von Naturschutzverbänden, Heimatvereinen, Streuobstinitiativen oder ähnlichen Organisationen erhalten.
Standort und Boden
Wer sich entschlossen hat, eine Streuobstwiese anzulegen, wird sich zuerst nach einem geeigneten Grundstück umsehen. Erwägt man eine Förderung vom Landkreis, erkundigt man sich am besten vorher, in welchen Landstrichen die Obstwiese liegen muss und welche Vorgaben es für die Mindestgröße gibt.
Obstbäume stellen relativ hohe Ansprüche an die Bodenqualität. Standorte, die sich durch besonders schwere, flachgründige und zur Staunässe neigende Böden auszeichnen, ebenso reine Sandböden, sind nicht geeignet. Stattdessen lieben Obstbäume einen humusreichen, lockeren und tiefgründigen Boden. Eine Hanglage ist völlig in Ordnung, nasse Senken und dauerfeuchte, kalte Tallagen sind dagegen gar nicht geeignet. Auf Höhenlagen reagieren Obstbäume je nach Art und Sorte recht unterschiedlich. Schon ab 300 Meter kann es für einige Apfelsorten kritisch werden, andere gedeihen prächtig auf 600 Höhenmetern.
Weitere, für Obstbäume sehr wichtige, Faktoren sind Licht und Luft. Ist das Grundstück beschattet oder weht, zum Beispiel durch Waldlage, zu wenig Luft durch den Bestand, ist das eher ungünstig. Oft gibt es innerhalb des Grundstückes unterschiedliche Standortbedingungen. Darauf kann man mit der Auswahl eines passenden Obstbaumes für den jeweiligen Standort reagieren. Einige Sorten, zum Beispiel Zwetschgen, kommen ganz gut mit etwas feuchterem Boden klar, Kirschen eher nicht.
Je größer das Grundstück, desto größer wird die Artenvielfalt der Tiere sein, die sich daran erfreuen oder sogar dort heimisch werden. Jedoch sind auch die kleinsten bepflanzten Flächen immer ein Gewinn für Menschen und Tier.
Obstbäume
Ebenso wichtig, wie die Wahl des Standortes, ist die Auswahl der einzelnen Obstbäume. Gute Qualität und gesunde, junge Bäume sind wichtig für einen gelungenen Start. Es lohnt sich, für den Kauf eine auf Obstbäume spezialisierte Gärtnerei bzw. Baumschule auszuwählen. Nur dort gibt es fachlichen Rat und vor allem eine große Auswahl einzelner Obstarten und Wildsorten.
Gepflanzt werden dann möglichst viele unterschiedliche Obstbäume. Den Hauptanteil machen Apfelbäume aus. Sie sind im Vergleich mit anderen Obstsorten nicht ganz so anspruchsvoll. Möglichst viele verschiedene, auch alte Apfelbäume machen dabei den Reiz aus. Artenvielfalt bei der Baumauswahl ergibt auch eine Artenvielfalt der Tierwelt drum herum.
Andere Obstbäume, wie Birnen, Quitten, Kirschen, Zwetschgen und Walnussbäume bereichern eine Streuobstwiese. Die Auswahl der Erstbepflanzung ist sehr anspruchsvoll und sollte gut geplant werden. Allein bei den Apfelbäumen kann man unter fast 2.000 verschiedenen Arten wählen. Auch die spätere Nutzung sollte man dabei mit bedenken. Möchte man Tafelobst ernten oder bringt man das Obst später lieber zu einer Mosterei? Meistens sind die Sorten für die Mostzubereitung etwas anspruchsloser in der Pflege.
- Apfelbäume: Eine bekannte Wildobstsorte ist der Holzapfel. Pflanzabstände zueinander 10 – 12 Meter.
- Zwetschgen: Fast so robust wie der Apfel. Kommt auch mit feuchteren Böden klar. Pflanzabstände zwischen 6 und 8 Metern.
- Birnen: Sie mögen es warm. Die Holzbirne ist eine Wildform. Pflanzabstände zwischen 10 und 12 Metern.
- Kirschen: Sie kommen mit mageren Kalkböden und kühleren Höhenlagen klar. Vertagen keine Staunässe. Achtung: Fremdbestäuber. Wilde Vogelkirschen sind gute Partner. Pflanzabstand: 12 bis 14 Meter.
- Quitte: Sie duldet keine Staunässe und liebt warme Lagen.
- Walnuss: Sie mag es warm und ist empfindlich gegen Spätfröste. Benötigt keinen jährlichen Schnitt in den ersten Jahren nach der Pflanzung. Die Walnuss kann als Solitärbaum gepflanzt werden.
- Weitere seltene Obstbaumsorten: Der Speierling und die Elsbeere sind seltene, alte Wildsorten, die sich sehr gut für eine Streuobstwiese eigenen.
Anlage, Neupflanzung
Auf dem Grundstück ist zunächst die Lage der einzelnen Bäume zu kennzeichnen. Dabei sind die Ansprüche in Bezug auf den Standort und den Pflanzabstand zueinander zu berücksichtigen. Die Kronen der ausgewachsenen Bäume sollten sich später nicht gegenseitig beschatten und eine ausreichende Durchlüftung gewährleisten. Auch dürfen sie sich nicht gegenseitig das Wasser streitig machen. Ein weiteres Kriterium, das sich erst sehr viel später bemerkbar machen wird, ist das Bestäubungsverhalten der Bäume. Können sie alleine stehen oder benötigen sie bestimmte Artgenossen an ihrer Seite?
Eine grundsätzliche Entscheidung muss gefällt werden: Sollen die Bäume in variablen, unregelmäßigen Abständen zueinander gepflanzt werden, sodass es möglichst natürlich aussieht? Oder möchte man, aufgrund der Größe des Grundstückes, die Wiesenfläche maschinell mähen? Dann ist eine Pflanzung in Reihe von Vorteil. Nach der Planung folgt die Ausführung, eine gute Vorbereitung ist alles, es liegen bereit:
- ein Spaten mit Muskelkraft oder ein Minibagger zum Ausheben der Pflanzlöcher
- je ein Anbindepfahl pro Baum
- als Schutzmaßnahme für beweidete Flächen, drei Pfähle je Baum
- Kokosstrick oder Hanfseil zum Anbinden
- ggf. Drahtzaun zum Schutz vor Wild, Weidetieren oder Wühlmäusen
- Wasser zum Einschlämmen der Bäume
- Dünger für die erste Portion Nahrung
Die beste Pflanzzeit ist der späte Herbst. Aber auch in frostfreien Wintertagen kann gepflanzt werden. Dann besteht eventuell Gefahr von Frostschäden. Die Wurzeln können im Winter bei Frost nicht genügend Wasser aufnehmen und bei starker Sonneneinstrahlung vertrocknen die oberirdischen Teile. Auch im frostfreien Vorfrühling kann gepflanzt werden, aber die Erfahrung zeigt, dass eine ausreichende Bewässerung in der ersten Zeit Schwierigkeiten bereiten könnte.
Unter Berücksichtigung der Pflanzabstände werden alle Pflanzlöcher markiert. Zuerst hebt man die Grassonden aus und legt sie zur Seite. Dann werden die Löcher ausgehoben, mindestens 40 cm tief. Die Sohle, der Boden darunter, muss aufgelockert werden. Es gibt einige Pfahlwurzler unter den Obstbäumen, die bis über 5 Meter tief ins Erdreich wurzeln.
Sind die Löcher ausgehoben, werden die Pfähle gesetzt. Bei nur einem Pfahl sollte dieser auf der Windseite des Baumes eingesetzt werden. Dann die Bäume einsetzen und wieder mit Erde und einer ersten Düngergabe füllen. Dabei lässt man einen Gießrand Drumherum. Mit einem Eimer Wasser einschlämmen und die vorab ausgestochenen Grassonden verkehrt herum um den Baum drapieren. Jetzt kann das Bäumchen an den Pfahl gebunden werden. Diese Stütze wird die ersten 4-6 Jahre benötigt. Gegebenenfalls erfolgt jetzt auch das Anbringen weiterer Schutzmaßnahmen.
Einige Baumschulen liefern die Bäume bereits mit Pflanzschnitt, andere nicht. In diesem Fall muss jetzt der entsprechende Pflanzschnitt an den jungen Obstbäumen vorgenommen werden.
Pflege und Schnitt
Neben einer ausreichenden Wasserzufuhr der Bäume ist darauf zu achten, dass die Baumscheibe freigehalten wird. Die Stämme dürfen untenherum nicht zuwachsen. Das würde zu viel Feuchtigkeit halten und damit Pilzbefall begünstigen. Jedes Jahr brauchen die Neupflanzungen einen fachgerechten Schnitt. Es geht darum, eine schöne ausbalancierte, und später auch gut durchlüftete, Baumkrone zu erhalten.
Alle 3 bis 5 Jahre ist ein Überwachungs- oder Erhaltungsschnitt notwendig. Die günstigste Zeit ist im späten Winter und Vorfrühling. Keinesfalls darf ein Schnitt bei strengem Frost erfolgen. Kleinere Korrekturmaßnahmen können auch von Juli bis August vorgenommen werden.
Der Schnitt von Obstbäumen sollte fachgerecht durchgeführt werden. Für Anfänger ist es daher am besten, sich vorab eine gründliche Einführung geben zu lassen, bzw. den Schnitt von einem Fachmann ausführen zu lassen.
Regelmäßige Kontrollen der Schutzmaßnahmen, sowie die frühzeitige Erkennung von Krankheiten oder Schädlingsbefall sollten das ganze Jahr über durchgeführt werden.
Ernte und Verwendung
Obsterträge gibt es bei den Hochstämmen erst ab dem 7. oder 8. Standjahr. Obstbäume gelten erste mit ca. 10 Jahren als erwachsen. Bei Äpfeln und Birnen unterscheidet man zwischen
- Tafelobst zum sofortigen Verzehr
- Wirtschaftsobst zum Backen, Kochen und Dörren
- Mostobst zum Versaften
Für die optimale Nutzung und Haltbarkeit ist es wichtig, um die beste Erntezeit der einzelnen Obstsorten zu wissen. Eine reiche Ernte setzt eine gute Bestäubung voraus. Obstbäume sind auf Insekten als Bestäuber angewiesen. Hier bietet sich zum Beispiel die Zusammenarbeit mit einem Imker an.
Für größere Erträgen gibt es Vertriebsstellen und Mosthersteller, die bei der Vermarktung der Ernte hilfreich sind. Ein weiteres Produkt der Streuobstwiese ist das wertvolle Holz der Wiesenbäume. Hinzu kommen die Produkte des Weideviehs bzw. der Grasschnitt mit wertvollen Wiesenkräutern als Produkt der Unternutzung.
Krankheiten und Schädlinge
Auch was den Schädlingsbefall betrifft, sind die Obstbäume auf einer Streuobstwiese im Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Erwerbsanbau. Verschiedene Sorten und genügend Platz pro Baum, sorgen dafür, dass sich die Einnistung bestimmter Schädlinge deutlich verringert.
Dadurch, dass das Biotop Streuobstwiese vielen Tierarten Lebensraum gewährt, gibt es meistens für jeden Schädling auch wieder Fressfeinde. Die Anlage einer Vogelschutzhecke sowie das Aufstellen von Insektenhotels können die Besiedlung weiter fördern.
Weitere negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bäume, entstehen hauptsächlich durch folgende Faktoren:
- Astbruch
- Staunässe
- Überdüngung
Vom Apfelwickler bis zur Zwetschgensägewespe, fast jede Obstbaumsorte hat gleich mehrere Schädlingsarten, die genau auf diese Sorte spezialisiert sind. Stellt man trotz gesunder Grundvoraussetzungen einen Befall fest, so gilt es, sich gründlich zu informieren, welche Alternativen es zu einem chemischen Einsatz gibt.