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Obstbäume werden schon seit etwa 3.000 Jahren veredelt. Damals hatte man erkannt, dass so ein „Klon“, also ein Ebenbild mit den Eigenschaften der ursprünglichen Pflanze entsteht. Man nennt den Vorgang auch „umpfropfen“. Die gebräuchlichsten Methoden sind Okulation und Kopulation. Man benötigt eine Unterlage und ein „Edelreis“, allerdings von gleicher Pflanzenart. Ein Apfelbaum wird nicht auf einer Pflaumenunterlage wachsen. Was es sonst noch zu beachten gibt, lesen Sie in unserem Text.
Obstbaumveredelung – Warum?
Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Die Unterlage ist meist gegen bestimmte Krankheiten resistent und/oder kommt gut mit Schädlingsbefall klar. Der gesamte Baum ist damit gesünder.
- Bäume aus Samen gezogen, würden viel zu lange brauchen, bis sie erntebares Obst produzieren würden.
- Aus einem Samen gezogene Pflanzen haben nicht unbedingt gleiche Eigenschaften wie die Mutterpflanze. So kann es sein, dass sie Früchte anders aussehen, schmecken, sie größer oder kleiner sind und und und.
- Damit ein kräftiger Stamm gebildet wird (nicht alle Obstbaumsorten sind allein dazu in der Lage)
- Die Wuchsfreudigkeit kann beeinflusst werden. Heute mag man in kleinen Gärten eher nicht so hoch wachsende Obstbäume. Die können besser abgeerntet, aber auch besser geschnitten werden.
- Es können mehrere Sorten auf ein und demselben Baum veredelt werden, natürlich nur von gleicher Art.
- Zur Leistungssteigerung
- Trotz ungünstiger Bodenverhältnisse können Obstbäume angebaut werden, die sonst keine Chance hätten.
Arbeitsmaterialien
- Baumsäge
- Baum- bzw. Astsäge
- Pfropfmesser, Kopuliermesser, Okulationsmesser, je nach Veredlungsart
- Abziehstein
- Raffiabast
- Baumwachs (kaltstreichbar)
Ansprüche an die Stammbildner-Sorte
- Muss relativ schnell wachsen
- Sollte einen möglichst geraden Stamm bilden
- Gute Frosthärte
- Muss sich gut mit der Unterlage vertrage
Wo sollte die Veredlungsstelle liegen?
- Bei Äpfeln liegt die ideale Veredlungshöhe bei 15 bis 20 cm.
- Bei Birnen sind es 10 bis 20 cm
- Süßkirschen bilden eine Ausnahme. Hier wird das Edelreis in Kronennähe aufgepfropft.
Methoden zur Obstbaumveredlung
Es gibt unterschiedliche Methoden, wie Obstbäume veredelt werden können. Es kommt etwas darauf an, welche man sich zutraut. Für Anfänger sind die Chip-Buding-Methode oder das Rindenpfropfen am einfachsten. Ansonsten kann man die Kopulation, die Okulation oder das Tittelpfropfen nutzen. Wer sich nichts dergleichen für sich vorstellen kann, geht am besten in eine Baumschule. Einige bieten die Veredlung an. Man kann Edelreiser mitbringen oder sie werden auch gestellt. Am simpelsten ist, einfach mal in der Baumschule seines Vertrauens nachzufragen.
Kopulation
Die Kopulation ist die am häufigsten angewandte Veredlungsmethode. Unterlage und Edelreis müssen in etwa gleich stark, maximal darf das Edelreis ein wenig schwächer sein. Beide Teile, also sowohl Unterlage, als auch Edelreis erhalten einen Kopulierschnitt und werden dann zusammengefügt. Am gebräuchlichsten ist die Kopulation mit Gegenzunge. Verwendet wird ein spezielles Kopulationsmesser, welches eine recht lange Klinge besitzt.
- Man schneidet die Hölzer schräg durch, dabei so schneiden, dass eine möglichst große Schnittfläche entsteht, also recht schräg. Die Schnittstelle sollte 4 bis 6 cm lang sein.
- Der Schnitt muss gerade und glatt sein. Beide Hölzer müssen perfekt aufeinander passen.
- Das Kambium von Edelreis und Unterlage müssen millimetergenau passgerecht aufeinander liegen.
- Wichtig ist, dass das Kopuliermesser absolut scharf ist.
- Im oberen Drittel des Schnitts wird ein Einschnitt in beide Hölzer gemacht.
- Anschließend kann man beide Hölzer ineinander stecken. Sie können durch den zusätzlichen Schnitt und die entstandene Gegenzunge nicht mehr verrutschen.
- Die Veredlungsstelle muss sofort mit dem Bast verbunden und mit Wachs bestrichen werden. Sämtliche Schnittstellen müssen luftdicht abgeschlossen sein.
Ob die Veredlung geglückt ist, sieht man erst im kommenden Jahr, beim Austrieb.
Okulation
Die Okulation läuft anders an. Erstens wird sie im Sommer durchgeführt (Juli/August) und zweitens wird dann nicht ein Edelreis auf eine Unterlage gesetzt, sonders nur ein Auge direkt in die Unterlage. Der Vorteil ist, dass man schon nach etwa 10 Tagen sehen kann, ob die „Operation“ geglückt ist und nicht erst im nächsten Jahr. Zu erkennen ist es daran, dass Blattstiel und Auge nicht eingetrocknet sind. Birnen, Pflaumen, Pfirsich und Quitten werden im Juli okuliert, Äpfel im Juli/August und Kirschen im August.
- Das Edelreis wird frisch geschnitten.
- Man schneidet aus dem Kronenbereich der Edelsorte.
- Profis schneiden schon im Januar, bei Temperaturen von maximal 4°C. Auch dieser Trieb wird in feuchtem Sand aufbewahrt, kalt, aber frostfrei.
- Keine Triebe mit Blütenknospen schneiden!
- Trieb sollte 3 bis 4 schlafende Augen aufweisen.
- Bei Sommerschnitt alle Blätter bis auf die Blattstiele entfernen.
- Alle Nebentriebe der Unterlage wegschneiden.
- Etwa 10 cm über dem Boden in der Rinde einen T-Schnitt setzen.
- Rinde vorsichtig lösen und auseinander klappen.
- Aus dem Edelreis ein Auge herausschneiden.
- Man schneidet von unten nach oben, setzt einen etwa 3 cm langen Schnitt.
- Keinen Holzspan schneiden!
- Das Auge aus dem Edelreis unter die aufgeklappte Rinde schieben.
- Sehr vorsichtig mit dem Okuliermesser arbeiten.
- Oberhalb des Auges das Rindenstück bündig mit dem T-Stück abschneiden.
- Die Veredlungsstelle mit Bast verbinden, aber so, dass das Auge dabei frei bleibt.
- Mit Baumwachs versiegeln, aber das Auge wieder frei lassen.
- Wichtig ist, dass man die Schnittstellen nicht mit der bloßen Hand berührt.
- Außerdem muss das Messer extrem scharf sein. Am besten schärft man immer wieder nach.
Hinweise
- Die Erfolgsaussichten lassen sich erhöhen, indem man die gesamte Aktion mit einem zweiten Edelauge wiederholt.
- Veredlung immer an einem trüben Tag durchführen. Bei direkter Sonneinstrahlung besteht eine erhebliche Gefahr, dass das Edelauge vorzeitig welkt.
- Das Basaltband abschneiden, sobald nach etwa 2 bis 3 Wochen der Blattstielstumpf vom Edelauge abfällt.
- Für den Fall, dass beide Edelaugen anwachsen, muss eines davon, bzw. der Neuaustrieb daraus, im darauffolgenden Jahr herausgeschnitten werden.
- Sobald sich aus dem Auge ein gesunder, kräftiger Trieb entwickelt hat, sägt man die Unterlage knapp darüber ab.
Chip-Buding-Methode
Die Chip-Buding-Methode ist eine moderne Weiterentwicklung der Okulation, im Prinzip eine Vereinfachung. Die „Holzspan-Veredlung“, so die deutsche Übersetzung, hat sich besonders bei der Vermehrung von Apfelbäumen bewährt. Das Beste an dieser Methode ist, dass Unterlage und Edelreis dabei unterschiedlich groß sein können. Ansonsten funktionieren beide Veredlungen ähnlich.
- In 10 cm Höhe an der Unterlage einen 2 bis 3 mm nach unten gerichteten Schnitt setzen.
- Ein zweiter Schnitt wird 3 cm darüber angesetzt, aber in Richtung des ersten kurzen Schnittes.
- So entsteht eine Einkerbung, welche die Form eines umgekehrten U hat.
- Das Edelreis wird ganz frisch geschnitten.
- Bis auf die Blattstiele entblättern.
- 15 mm unter dem Edelauge eine Einkerbung machen.
- 15 mm über dem Auge abschneiden.
- Edelauge und Öffnung der Unterlage sind dadurch deckungsgleich.
- Wie oben beschrieben, beide Teile zusammenpressen und verbinden.
- Zum Verbinden ist PE-Folie gut geeignet. Sie wird über dem Auge angebracht.
- So kann sich darunter Kondenswasser bilden, welches ein Austrocknen verhindert.
- Nach etwa 2 bis 3 Wochen kann die Folie entfernt werden.
- Im Sommer kann ohne Wachsverschlussmittel gearbeitet werden.
- Im Winter ist es notwendig.
Rindenpfropfen
Beim Pfropfen hinter die Rinde wird die Rinde abgelöst. Diese Veredlungsmethode ist recht einfach zu erlernen und kann auch von Neulingen durchgeführt werden. Edelreiser werden in der Winterruhe geschnitten. Sie müssen bis zur Veredlung möglichst kühl, aber frostfrei und bei hoher Luftfeuchte aufbewahrt werden (feuchter Sand).
- Gepfropft werden kann, je nach Obstsorte ab März/April, in einigen Gegenden auch erst ab Mai.
- Man nutzt Äste, die einen Durchmesser von 3 bis 6 cm besitzen. Stärkere Äste sind nicht sinnvoll.
- Die Edelreiser vor dem Veredeln für einige Stunden in Wasser legen, sie lassen sich dann besser schneiden.
- Am Baum schneidet man die Krone pyramidenförmig auf längere Stummel zurück.
- Dabei muss ein Zugast im unteren Bereich verbleiben. Dieser sichert die Assimilation für die Veredlungen an dem sonst kahlen Baumgerüst.
- Zugäste dürfen weder zu stark sein, noch zu nahe am Pfropfkopf stehen.
- Am Pfropfkopf, ein angesägter Stummelast, an dem die Veredlung vorgenommen wird, werden 1 bis 3 Pfropfreiser eingefügt.
- Das Edelreis keilförmig, schmal zuschneiden. Die Schnittflächen sollten 5 bis 8 cm lang sein.
- Am Pfropfkopf einen geraden Schnitt bis auf das Holz machen. Das Edelreis unter die Rinde schieben.
- Wenn die längere Schnittseite des Keils dabei auf die Innenseite des Pfropfkopfs schaut, ermöglicht das ein besseres Anwachsen.
- Wenn die 1 bis 3 Reiser eingeschoben wurden, muss der Pfropfkopf mit Bast verbunden.
- Wie bei den anderen Verfahren den Pfropfkopf mit den Schnittstellen luftdicht mit Harz verstreichen.
- Ein Austrocknen der Veredlungsstelle muss verhindert werden.
Tittelpfropfen
Tittelpfropfen nutzt man für Bäume, die nicht fruchten, da kein passender Befruchter in der Nähe zu finden ist. Man kann, je nach Durchmesser des Pfropfkopfes, ein oder mehrere Reiser einsetzen.
- Im März oder April seitlich an einem mittelstarken Ast ein Rindenstück parallel einschneiden.
- Man löst ein 3 bis 4 mm breites und etwa 30 cm langes Stück der Rinde so ab, dass eine schmale Seite am Ast bleibt (zungenartig ablösen).
- Edelreis in gleicher Länge mit Kopulationsschnitt anschneiden.
- Wichtig ist, dass auf der der Schnittfläche gegenüberliegenden Seite ein Auge vorhanden ist.
- Direkt unter dem Auge wird bei dem Edelreis ebenfalls ein 10 mm langer Kopulationsschnitt gesetzt, aber in die entgegengesetzte Richtung.
- Reis an beiden Rindenseiten der Schnittflächen flach anschneiden. Es muss beim Hineinschieben mit seinen Flanken genau an der Rinde der Unterlage anliegen.
- Rindenlappen (Zunge) so kürzen, dass 2 bis 3 mm des vorderen Kopulationsschnittes des Edelreises frei bleiben.
- Tittelpfropfen kann man auch noch im August.
Häufige Fragen
Welche Bedeutung hat die Unterlage?
Die Unterlage wird sehr oft unterschätzt. Dem Edelreis wird eine deutlich höhere Bedeutung beigemessen. Fest steht, beide sind wichtig. Die Unterlage hat Einfluss auf das gesamte Wachstum, auf Ertrag, Fruchtqualität, Erntezeitpunkt, Standfestigkeit und Lebensdauer. Man kann gezielt auswählen, nach Faktoren, die für einen selbst wichtig sind. Soll der Baum nicht zu groß werden, muss man sich für eine schwachwachsende Unterlage entscheiden.
Was macht man mit den Trieben, die unterhalb der Veredlungsstelle aus schlafenden Augen der Unterlage wachsen?
Die werden abgeschnitten, „Freigestellt“, wie das fachmännisch heißt.