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Rüsselkäfer stellen über 3 % aller bisher entdeckten Lebewesen, das ist unglaublich viel und ein Hinweis darauf, wie wichtig sie sind. Rüsselkäfer zerlegen nämlich sämtliche Pflanzenreste dieser Welt, ohne sie gäbe es keinen fruchtbaren Boden. In Deutschland lebt nur ein winziger Teil aller Rüsselkäfer, zum allergrößten Teil auf nur einer Pflanze, und die Hälfte von ihnen ist bereits vom Aussterben bedroht – Rüsselkäfer sollten von Gärtnern eher auf Sänften getragen als bekämpft werden. Massenvermehrung kann in gestörtem Umfeld vorkommen, nur dann muss der Mensch überhaupt eingreifen, mit möglichst sanften Mitteln.
Steckbrief
- Rüsselkäfer gehören zur Klasse der Insekten (Insecta) und Ordnung der Käfer (Coleoptera)
- Die Familie der Rüsselkäfer oder Curculionidae sind eine wirklich imposante Käfer-Familie
- Derzeit kennt man 12 Unterfamilien und 34 Gattungen – mit rund 60.000 Arten weltweit!
- 1200 Arten davon leben in Mitteleuropa, gut 900 in Deutschland, nur 1,5 % aller Rüsselkäfer
- Davon haben sich die allermeisten Arten auf eine bestimmte Pflanze spezialisiert und werden nicht bemerkt
- Nur ganz wenige Arten sind potenzielle Schädlinge, und das nur in Gärten, die nicht im Gleichgewicht sind
Eigentlich nützliche Arbeit …
Auch wenn die Gesamtzahlen erst einmal schrecken: Es ist gut, dass es so viele Rüsselkäfer gibt, denn sie sind unverzichtbarer Teil des Naturhaushalts:
- Rüsselkäfer sind echte Vorkämpfer für ökologische Vielfalt
- Sie besiedeln fast alle Lebensräume der Erde
- In denen haben sie die unterschiedlichsten ökologische Nischen erobert
- Rüsselkäfer und ihre Larven ernähren sich fast ausschließlich von Pflanzen
- Dabei haben sich viele auf bestimmte Pflanzen spezialisiert
- Rüsselkäfer können beinahe jedes pflanzliche Gewebe verarbeiten
- Und das von fast allen Pflanzenarten, gründliche Arbeit also
Potenzial zur Schädigung
Rüsselkäfer und ihre Larven haben Hunger, die erwachsenen Rüsselkäfer fressen an Blättern herum, die Larven entwickeln sich meist in einer Pflanze und fressen von innen. Wie gesagt, eigentlich nützliche Arbeit – wenn es keine Kleintiere gäbe, die den Boden bearbeiten, hätten wir überhaupt keinen Boden, und damit auch keine Pflanzen, und dann wären wir selbst auch bald nicht mehr da.
Noch haben Rüsselkäfer und Co. die Menschen aber überlebt, und diese stecken mit ungebrochener Leidenschaft ihre Nasen in Naturabläufe, auch wenn sie die Folgen nicht im Geringsten absehen können bzw. auch wenn sie die Folgen absehen können, dann aus Gewinnstreben. Uninformierte Hausgärtner, die zwar “Gärtnern” wollen, sich aber nicht die Arbeit machen, die “gute fachliche Praxis” eines Gärtners zu erlernen, lassen sich vom Handel gut mit einbinden. Sie wurden zwar durch das neue Pflanzenschutzgesetz von 2001 zur Einhaltung der “guten fachlichen Praxis” verpflichtet, eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zeigt aber immer noch deutliche Mängel in der Einhaltung dieser “guten fachlichen Praxis” gerade bei den Haus- und Kleingärtnern:
Die privaten Gärtner in Deutschland nutzen nur etwa 4 % der landwirtschaftlichen Fläche, verstreuen aber 8,3 Prozent aller Insektizide. In der Studie wurde festgestellt, dass deutsche Privatgärtner noch viel zu wenig an umweltgerechtem Handeln interessiert sind, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit besserer Information aber zurückgeht. Der Insektizid-Einsatz im Privatgarten ist nicht nur unproportional, sondern auch potenziell schädlich: Die Wirkstoffe sind alles andere als harmlos, Insekten werden häufig resistent, Insektizide bringen die Natur aus dem Gleichgewicht, dann können sich Rüsselkäfer übermäßig vermehren.
Die beste Vorbeugung
Wenn Rüsselkäfer zu viel werden, richten sie Schäden an, aber auch nur dann. Die beste Vorbeugung gegen Rüsselkäfer ist deshalb eine naturnahe Bewirtschaftung des Gartens, dann stellt sich nämlich ein natürliches Gleichgewicht ein, in dem Rüsselkäfer durch zahlreiche Feinde (Igel, Laufkäfer, Spinnen, Spitzmäuse, Tausendfüßler, …) im Zaum gehalten werden. Diese Rüsselkäfer-Feinde brauchen ausreichende Lebensbedingungen, Mischkulturen im Garten, Bodendecker anstatt nackter Erde und keine militärische Ordnung im Garten, mehrere Asthaufen und ähnliche Schlupfwinkel sollten für die Nützlinge bereit stehen. Außerdem sollten Sie endgültig auf jedes torfhaltige Substrat verzichten, die zerstören nämlich nicht nur die Moore, sondern sind ein überaus willkommener Brutplatz für jeden Rüsselkäfer.
Wenn Sie dann noch auf Pflanzeneinkauf bei Schnell-und-Billig-Händlern verzichten und biologisch gezogene, kräftige und auf Rüsselkäfer kontrollierte Pflanzen in Fachbetrieben kaufen, haben Sie gute Chancen, nie einen Rüsselkäfer kennenzulernen.
Die Arten mit großem Appetit
Wie gesagt, in Deutschland gibt es “nur” gut 900 Arten, und davon fressen sehr viele nur an “Ihrer” Pflanze. Die bemerken Sie meist überhaupt nicht, sie führen nämlich ein sehr verborgenes (Nacht-) Leben und sind nur wenige Millimeter lang. Schlimmer sind die Generalisten unter den Rüsselkäfern, die in Bezug auf ihren Speiseplan nicht besonders wählerisch sind. Dazu gehören jedoch nicht allzu viele Rüsselkäfer, und noch weniger Arten fressen die Pflanzen, die typischerweise im Garten wachsen:
1. Aus der Gattung der Dickmaulrüssler gibt es diese gartengeneigten Allesfresser:
- Der gefurchte Dickmaulrüssler “Otiorhynchus sulcatus” frisst viele Gehölze, Stauden und andere Zierpflanzen gerne, besonders gerne soll er Eiben, Erdbeeren, Kirschlorbeer, Pfaffenhütchen und Rhododendron mögen.
- Der Kleeluzerne-Rüssler “Otiorhynchus ligustici” frisst namenentsprechend Klee (Trifolium) und Luzerne (Medicago sativa), aber auf Rüben (Beta) oder Erdbeeren (Fragaria) könnten Sie ihn ebenfalls antreffen.
- Der letzte in der “Bande” der ev. gartengefährlichen Dickmaulrüssler ist der Kleine Schwarze Rüsselkäfer “Otiorhynchus ovatus”, der sich eigentlich von Fichtennadeln und -trieben ernährt, aber auch junge Kiefern frisst und als Erdbeerwurzelrüsselkäfer bekannt ist …
2. Teilspezialisiert könnte man Haselnussbohrer “Curculio nucum”, Fichtenrüsselkäfer “Hylobius abietis” und Gemeine Graurüssler “Brachyderes incanus” nennen. Mit diesen Rüsselkäfern müssen Sie sich eventuell näher beschäftigen, wenn Sie gerade junge Douglasien, Erlen, Fichten, Kiefern oder Lärchen gepflanzt haben, auf denen es krabbelt, oder wenn Sie Haselnuss-Sträucher im Garten haben und diese auf einmal leere Nüsse tragen.
Denkbare Schadbilder
Wenn Rüsselkäfer sich ungehemmt vermehren können, richten vor allem die Larven irgendwann Schäden an:
Rüsselkäfer selbst fressen im Frühjahr an Blättern und legen Eier ab, die Larven fressen dann oft an Wurzeln herum. Das ist aber nicht unbedingt ein besorgniserregender Vorgang – wenn Ihr Garten mit kräftigen, gut eingewachsenen Pflanzen besetzt ist, können Sie ein paar Rüsselkäfer schlichtweg munter knabbern lassen.
Sanfte Mittel gegen hungrige Käfer
Wenn Sie gerade frisch gepflanzt haben und Rüsselkäfer sichten, sollten Sie diese nicht unbeobachtet vor sich hin wirken lassen, sondern dafür sorgen, dass die Rüsselkäfer die jungen Pflanzen nicht zu sehr schwächen und dass die Brut des nächsten Jahres nicht zu sehr gestärkt wird, sonst ziehen Sie sich vielleicht eine Massenpopulation heran. Das können Sie tun:
- Gefurchte Dickmaulrüssler schlüpfen um Anfang Juni aus und beginnen Blätter anzufressen, immer schön ordentlich von den Blatträndern aus, was ein Fraßbild mit mehreren Buchten hinterlässt. Die Käfer können Sie absammeln, was deshalb etwas schwierig ist, weil die Käfer nachtaktiv sind:
- Wenn Sie erste Fraßspuren sichten, können Sie zunächst ein paar Holzbretter rund um die Pflanzen auslegen
- Die satten und müden Käfer sammeln sich unter diesen tagsüber gerne zum Schlafen und können so gut abgesammelt werden
- Wenn auch Sie eher nachtaktiv sind, können Sie auch mit einer Taschenlampe in der Hand auf Käferjagd gehen
- Kleeluzerne-Rüssler richten erwachsen kaum Schaden an, die Eier werden jedoch am Fuß krautiger Pflanzen im Boden abgelegt
- Wenn Sie im Frühjahr diese Käfer sichten, könnten Sie die Erde rund um befallene Pflanzen regelmäßig mit einer Grabegabel bearbeiten
- Einstechen, hin und her bewegen und rausziehen, so wird das Bodenleben wenig gestört
- Kleine Schwarze Rüsselkäfer sind tagaktiv und auf dem Boden unter den Nadelbäumen oder von der Baumrinde abzusammeln
- Wermut-Jauche (1:10 verdünnt) soll neben Dickmaulrüssler-Larven auch gleich Ameisen und Schnecken fernhalten
Gegen die anderen “Garten-Rüsselkäfer” gehen Sie ähnlich vor, wobei einige Arten es Ihnen leichter machen, weil sie tagaktiv sind oder bei Berührung in Schockstarre verfallen, sich also vom Zweig “klopfen” und einsammeln lassen. Mehr können Sie bei bereits festgestelltem Befall eigentlich erst einmal nicht tun, in einem gesunden und naturnahen Umfeld reicht das aber in aller Regel auch.
Letztes Mittel: Nematoden
Wenn Ihr Garten Rüsselkäfern Bedingungen bietet, unter denen sie sich massenhaft vermehrt haben, können Sie Nematoden (Fadenwürmer) zu Hilfe bitten.
Sie brauchen bestimmte Nematoden (gegen die meisten Rüsselkäfer helfen Nematoden der Gattungen Heterorhabditis oder Steinernema), die ab einem bestimmten Befallsdruck, zu einer bestimmten Zeit, bei bestimmten Bodentemperatur und einer bestimmten Bodenfeuchtigkeit ausgebracht werden und dann die Larven-Population wirkungsvoll reduzieren.
Der Nematoden-Einsatz befreit Sie jedoch nicht von der Renaturierung Ihres Gartens, denn zunächst reagieren auch Nematoden sensibel auf eine gestörte Umwelt und werden in einem naturfernen Umfeld gegen die Rüsselkäfer schlecht ankommen, und dann ist es auch ein ziemlich ermüdendes und kostenintensives Spielchen, jedes Jahr wieder Nematoden zu kaufen und an den Start zu bringen.
Häufig gestellte Fragen
Ich habe Rüsselkäfer eingeschleppt und abgesammelt und Nester “angepiekt”, war aber nicht ganz erfolgreich – was nun?
Es ist ganz normal, dass Sie nicht sofort jeden Rüsselkäfer und jede Larven-Brutstätte erwischen. Ein naturferner Garten sollte renaturiert werden, damit sich Rüsselkäfer-Feinde ansiedeln, in einem gesunden Garten können Sie einfach genauso weitermachen, vielleicht in der kommenden Saison einige für Rüsselkäfer uninteressante Pflanzen einbringen und dafür auf Rüsselkäfer-Favoriten wie z. B. Erdbeeren (es gibt viele weitere) verzichten. Wenn Ihr Nachbar in seinem naturfernen Garten eine Rüsselkäfer-Zucht pflegt, könnten Sie ihm Informationen und eine Nematoden-Kur empfehlen, sonst werden die Rüsselkäfer wieder einwandern.
Ist es nicht sinnvoll, von außen in den Garten eingeschleppte Rüsselkäfer einmal (und für immer) mit Pflanzenschutzmittel zu bekämpfen?
Nein, und deshalb ist es auch nicht erlaubt: Im aktuell (2014) für den Haus- und Kleingarten geltenden Pflanzenschutzmittelverzeichnis sind nur 2 Mittel zugelassen, mit den Wirkstoffen Acetamiprid und Thiacloprid. Aber nur gegen gefurchte Dickmaulrüssler, und im Freiland nur für eine Anwendung auf Topfpflanzen, sonst nur für Pflanzen, die in Innenräumen gehalten werden. Früher gab es Mittel mit Imidacloprid und Thiamethoxam, die nach einer Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mitverantwortlich für das grassierende Bienensterben sind, deshalb wurde die Anwendung inzwischen verboten. Thiacloprid wird auch gerade von Forschern genauer auf Bienengiftigkeit untersucht, und bei Acetamiprid hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit jüngst vorgeschlagen, die erlaubten Dosen wegen möglicher Auswirkungen auf das sich entwickelnde Nervensystem zu senken … verboten sind beide Mittel noch nicht, aber wer das anwendet, ist wohl ziemlich risikofreudig. Schon den Informationsblättern der meisten Pflanzenschutzämter können Sie übrigens entnehmen, dass die chemischen Pflanzenschutzmittel gegen Dickmaulrüssler nichts ausrichten, diese Mittel werden entweder überhaupt nicht erwähnt oder von der Anwendung wird ausdrücklich abgeraten.